Hintergrundwissen Feedback ermöglichen – Barrieren abbauen
- Anspruch:
- Aufwand:
- Zielgruppe: Öffentlichkeitsarbeit
Wenn Sie die gängigen technischen Standards zur digitalen Barrierefreiheit berücksichtigen, schaffen Sie gute Voraussetzungen dafür, dass Menschen mit und ohne Behinderungen, junge und alte User Ihre digitalen Angebote ohne Schwierigkeiten nutzen können.
Trotz aller Bemühungen seitens der Anbietenden, können Barrieren für einige Menschen in den Angeboten existieren, die sie von der Nutzung ausschließen. Je nach Angebot kann dies die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder auch am Berufsleben stark einschränken.
Die Gründe für das Vorhandensein dieser Barrieren trotz aller Maßnahmen können vielfältig sein:
Die gängigen Standards zur Barrierefreiheit sind Mindestanforderungen, möglicherweise reicht dieses Minimum nicht aus, um allen Menschen Zugang zu Ihren digitalen Angeboten zu ermöglichen.
Kriterien:
Ein digitales Angebot ist barrierefrei mithilfe eines externen Dienstleisters erstellt worden, bei der anschließenden Pflege des Angebots durch die eigenen Mitarbeiter*innen wurden jedoch nach und nach Barrieren „eingebaut“. Möglicherweise sind den Mitarbeiter*innen beispielsweise nicht alle Barrierefreiheitsfunktionen des Redaktionssystems bekannt oder sie wurden in Schulungen nicht ausreichend für das Thema sensibilisiert.
Prozesse:
Es wurden dem digitalen Angebot neue Funktionalitäten hinzugefügt, die jedoch (noch) nicht in Bezug auf Barrierefreiheit getestet worden sind.
Updates:
Eine Funktion des digitalen Angebots ist rein formal vielleicht „technisch barrierefrei“, aber nicht gut nutzbar. Die Usability wurde also nicht ausreichend berücksichtigt. Möglicherweise fällt dies bei Nutzung eines Computerhilfsmittels stärker auf.
User-zentriert:
Einen Feedback-Mechanismus anzubieten ist für alle Anbieter von Webseiten und Apps sinnvoll, um die Barrierefreiheit der Angebote nachhaltig sicherstellen zu können.
Öffentliche Stellen sind durch die Web-Richtlinie 2016/2102 dazu verpflichtet einen Feedback-Mechanismus auf ihren Webseiten und für ihre Apps anzubieten:
Über die Nutzung dieses Feedback-Mechanismus müssen die Länder und der Bund auch im Rahmen des alle drei Jahre stattfindenden Monitorings berichten.
Bieten Sie den Nutzer*innen Ihrer digitalen Angebote eine einfache Meldemöglichkeit an. Diese muss technisch natürlich barrierefrei umgesetzt werden, also alle Anforderungen der Barrierefreien-Informationstechnik-Verordnung (BITV) erfüllen. Technische Details hierzu sind in dem harmonisierten Standard DIN EN 301 549 geregelt.
Wie genau Sie die im Gesetz als „Feedback-Mechanismus“ beschriebene Möglichkeit umsetzen, ist weitgehend Ihnen überlassen. Wie auch immer Sie dies umsetzen, der „Feedback-Mechanismus“ muss von allen Seiten des Angebots aus erreichbar sein. Im Folgenden finden Sie eine Reihe von einfachen bis hin zu komplexen Meldemöglichkeiten.
Bieten Sie eine Meldemöglichkeit per E-Mail an. Vorlagen für eine solche Schaltfläche zum Melden bietet beispielsweise die BFIT-Bund an. Sofern Sie zur Barrierefreiheit verpflichtet sind, informieren Sie sich, ob dies in Ihrem Bundesland ausreichend ist. In Nordrhein-Westfalen ist dies beispielsweise nicht ausreichend, hier wird mindestens der folgende Meldeweg verlangt:
Einfaches Online-Formular: Kontaktformular
Die minimale Lösung wäre hier die Doppelnutzung des ohnehin bereits vorhandenen Kontaktformulars.
Dies erfordert meist die Angabe eines Namens, ermöglicht also keine anonymen Rückmeldungen.
Stellen Sie sicher, dass die Bearbeitung der, über dieses allgemeine Formular eingehenden Anfragen, zeitnah stattfindet. Eine unüberwindbare Barriere stellt ein Problem für die Nutzer*innen dar, das schnell gelöst werden sollte.
Online-Formular: Extra-Meldeformular
Dies hat den Vorteil, dass die Beschriftungen der Formularfelder individuell angepasst werden können, zum Beispiel „Ihre Barrieremeldung“ statt „Ihr Anliegen“.
Hierbei sind verschiedene Lösungen denkbar:
- Anonyme Meldung ermöglichen: Senkt die Hürde Barrieren zu melden, hat jedoch den Nachteil, dass bei Verständnisfragen nicht bei den Melder*innen nachgefragt werden kann.
- Mit einem Kontaktweg: Im Prinzip reicht ein Kommunikationsweg, um Rückfragen zu stellen. Erlauben Sie den Nutzer*innen auszuwählen, welchen Kontaktweg sie bevorzugen. Eine gehörlose Person möchte möglicherweise keine Sprachanrufe erhalten, sondern ausschließlich per E-Mail oder Messenger kontaktiert werden.
- Mit persönlichen Daten: Ermöglicht den Nutzer*innen, wenn Sie nicht auf die Barrieremeldung reagieren, den Weg einer Schlichtung zu gehen, da nachweisbar ist, wer wann eine Barriere gemeldet hat.
- Mit zusätzlichen Daten zur Nutzung: Umso mehr Daten Melder*innen zu Ihrem System, den genutzten Hilfsmitteln und mobilen Geräten (bei Apps) machen können, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie die Barrieren gut nachvollziehen und beheben können. Oder möglicherweise auch den Nutzer*innen Hinweise zur barrierefreien Nutzung Ihres Angebots geben können.
Komplexes Online-Formular: mit automatischer Übernahme des Ortes
Eine Empfehlung der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik (BFIT-Bund) hierzu lautet:
Ob dies sinnvoll ist, beispielsweise bei einer Single-Page-Applikation, muss individuell für die jeweilige Anwendung entschieden werden. Um eine gemeldete Barriere nachvollziehen zu können, ist die Angabe des genauen Ortes auf jeden Fall notwendig.
Zusätzliche Meldewege
Bieten Sie zusätzliche Meldewege an, am einfachsten per Fax oder per Telefon, möglichst mit Angaben zu Sprechzeiten beziehungsweise zur Erreichbarkeit. Testen Sie auch andere Wege, zum Beispiel über Ihre Social-Media-Kanäle, die weniger formal und für die Nutzer*innen vielleicht schneller nutzbar sind. Berichten Sie dort auch über behobene Barrieren. Bitten Sie aktiv um Feedback, und zeigen Sie, dass dies erwünscht ist und ernst genommen wird.
Stellen Sie sicher, dass die Personen, die die Meldungen telefonisch annehmen entsprechend geschult sind, direkt die benötigten Daten rund um die Meldung zu erfragen und Auskunft zum weiteren Vorgehen geben zu können.
Auch Meldungen in Deutscher Gebärdensprache entgegen zu nehmen ist mithilfe eines Telefondolmetschdienstes möglich und erleichtert gehörlosen Menschen die Meldung.
Informationen rund um den Meldeweg in Leichter Sprache und ein verständlich gestaltetes Meldeformular ermöglicht auch Menschen mit Lernschwierigkeiten Barrieren zu melden. Und allen anderen Nutzer*innen erleichtert es die Nutzung, wenn der Prozess transparent beschrieben und die Meldemöglichkeit einfach nutzbar ist.
Arbeitsprozesse gestalten
Stellen Sie sicher, dass die eingehenden Barriere-Meldungen zeitnah bearbeitet werden und die Ansprechpartner*innen und Verantwortlichen in diesem Prozess klar benannt sind. Legen Sie Vertretungsregeln fest, damit die gesetzlich vorgegebenen Fristen eingehalten werden können.
Bei größeren Angeboten beziehungsweise großen Behörden, kann es sinnvoll sein, die Meldungen zusammen mit anderen Anfragen in einem Ticketsystem zu verwalten, um die Bearbeitungsschritte nachvollziehen zu können. Vermeiden Sie jedoch Standardantworten auf Barriere-Meldungen wie „Danke für Ihre Rückmeldung, wir kümmern uns demnächst um Ihr Anliegen“. Eine Barriere-Meldung bedeutet, dass Personen, Bürger*innen oder Kund*innen, von der Nutzung Ihrer Angebote möglicherweise ausgeschlossen sind, behandeln Sie diese Meldungen daher mit entsprechender Priorität.
Feedback als Chance
Selbst wenn die Melder*innen keine weiteren Schritte, wie eine Schlichtungsstelle zu kontaktieren, gehen, werden diese Personen vermutlich keine weiteren Barrieren melden, wenn sie die Erfahrung machen, dass sie nur schleppend oder gar keine Rückmeldungen auf ihre Meldungen erhalten. Sie werden stattdessen, falls möglich den Anbieter wechseln oder bei einer Dienstleistung einer Behörde, mehr Zeit der Mitarbeitenden vor Ort in Anspruch nehmen als es bei einer teilweise automatisierten Online-Dienstleistung der Fall gewesen wäre.
Stellen Sie sicher, dass im Team die Barrieremeldungen als Möglichkeit zur Verbesserung des digitalen Angebots für alle Nutzenden gesehen werden, und nicht als „Kritik von einzelnen Personen“ oder als „negative Kritik an den bereitgestellten Angeboten“. Räumen Sie den Mitarbeiter*innen ausreichend Zeit ein, um diese Meldungen mit ausreichender Aufmerksamkeit, und falls erforderlich mit Rückfragen an die Melder*innen, bearbeiten zu können.
Geben Sie in der Barrierefreiheitserklärung eventuell bereits Ansprechpartner*innen an, die bei Fragen weiterhelfen, damit es möglicherweise gar nicht erst zu einer Barrieremeldung kommt. Im Durchführungsbeschluss (EU) 2018/1523 zur EU-Webrichtlinie heißt es in Abschnitt 2 der Mustererklärung:
Qualitätssicherung
Hinterfragen Sie regelmäßig den von Ihnen angebotenen Feedback-Mechanismus. Informieren Sie sich darüber, wie dieses Angebot angenommen wird, und ob der Prozess dahinter gut funktioniert.
Lassen Sie regelmäßig neue Mitarbeitende, die an dem Prozess der Barrieremeldung und der Rückmeldung an die Melder*innen beteiligt sind schulen und sensibilisieren.
Binden Sie beispielsweise die Schwerbehindertenvertretung ein, um Rückmeldungen dazu zu erhalten, ob neben Bürger*innen und Kund*innen auch Mitarbeiter*innen darüber informiert worden sind, dass sie diesen Meldeweg nutzen können.
Erhalten Barriere-Melder*innen auf Ihre Meldung zu Barrieren in Webangeboten oder Apps keine oder eine unzureichende Rückmeldung vom Anbieter, können Sie sich an die zuständige Durchsetzungsstelle beziehungsweise Ombudsstelle wenden. Diese zuständige Stelle ist in der Erklärung zur Barrierefreiheit des Anbieters zu finden.
Ist der Feedback-Mechanismus der öffentlichen Stelle selbst nicht barrierefrei gestaltet, können sich die Nutzer*innen direkt an die Schlichtungsstelle wenden.
Ist der Anbieter zur Barrierefreiheit verpflichtet und bietet keinen Feedback-Mechanismus und möglicherweise auch keine Erklärung zur Barrierefreiheit an, können sich Bürger*innen beziehungsweise Kund*innen ebenfalls an die jeweils zuständige Stelle des Bundes oder des betreffenden Bundeslandes wenden.
Eine Übersicht aller Durchsetzungsstellen wird unter anderem vom Landeskompetenzzentrum Barrierefreie IT (LBIT) Hessen bereitgestellt.
Die Verpflichtung und das Verfahren sind in der EU-Richtlinie 2016/2102 vorgegeben, die in Deutschland in den Bundesländern in der Regel über die Barrierefreien-Informationstechnik-Verordnungen (BITVs) umgesetzt wird. Artikel 9 der EU-Richtlinie 2016/2102 beschreibt das Durchsetzungsverfahren. Das Verfahren wird im „Portal Barrierefreiheit der Dienstekonsolidierung des Bundes“ näher beschrieben.
Sie finden an verschiedenen Stellen weiterführende Hinweise zur Bereitstellung eines Feedback-Mechanismus. Berücksichtigen Sie auch, wie Sie mit den von den Melder*innen bereitgestellten (personenbezogenen) Daten sicher umgehen:
- Informationen für öffentliche Stellen im „Portal Barrierefreiheit der Dienstekonsolidierung des Bundes“:
- Von der „Bundesfachstelle Barrierefreiheit“ bereitgestellte Informationen:
- Von der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik (BFIT-Bund) bereitgestellte Dokumente:
- Informationen des Bundesministeriums der Justiz zur Datenschutzgrundverordnung
- Informationen zur Perspektive der Melder*innen
- Podcast „Ganz Ohr“ des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Hamburg vom 27.3.2023 zum Thema „Gegen Barrieren kann man sich wehren! Rüstzeug für den Umgang mit öffentlichen Stellen“
- Workshop-Rückblick: „Wie können die Rückmeldemechanismen zu digitalen Barrieren erfolgreich umgesetzt werden?“ zur Piazza-Konferenz 2022
- im Rahmen einer Fachartikelserie zum GAAD Nutzer-Feedback zur „Erklärung zur Barrierefreiheit“
- Beispiele für Informationen zum Feedback-Mechanismus in Leichter Sprache
- Erklärung und Meldemöglichkeit der Überwachungsstelle des Bundes (BFIT)
- Erklärung zur Barrierefreiheit in Leichter Sprache der Bundesagentur für Arbeit (BA)
- Informationen zum Feedback-Mechanismus der in Leichter Sprache Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW)
- Erklärung zur Barrierefreiheit im Angebot REHADAT